Von der Straße an den französischen Hof
21.11.2025,
Ob Johann Sebastian Bach die Rad- oder Drehleier kannte? Wenn, dann wird sie ihm vermutlich als ein Instrument von Bettlern oder Straßenmusikern begegnet sein. Denn anders als in Frankreich – und allen französischen Moden und Tänzen auch hierzulande zum Trotz – hat dieses Instrument es in den deutschen Ländern nicht geschafft, sich in der gesellschaftlichen „Oberschicht“ zu etablieren.
Bevor die Radleier derart „geadelt“ wurde, hatte sie bereits eine lange Tradition in Frankreich: Leicht zu transportieren und durchdringend im Klang, ist dieses Streichinstrument mit Bordun- oder Schnarrsaiten ideal für die traditionelle Volks- und Tanzmusik geeignet. Als sich im 18. Jahrhundert der französische Adel für die vermeintliche Idylle der Landbevölkerung, insbesondere dem als „arkadisch“ beschriebenen Leben der Hirten zu begeistern begann, rückte im Rahmen inszenierter Schäferspiele auch die dazugehörige Musik ins Interesse. Mit diesem Aufstieg in oberste gesellschaftliche Schichten passte sich die Vielle à roue auch äußerlich an: Dieses prachtvoll gestaltete Exemplar in Lautenform aus der Zeit um 1740 zeigt deutlich, dass die Pariser Werkstatt von Pierre Louvet hochwertigste Instrumente für den Hof Louis XV. und seine Entourage produzierte – die einfache Landbevölkerung hätte sich so eine kostbare Radleier nicht leisten können: mit einem feingliedrig geschnitzten Kopf, Elfenbein-Intarsien sowie dem kunstvoll gespänten Lautenboden.